Arbeitszeugnis

Pflicht

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, jederzeit ein Arbeitszeugnis zu verlangen, und zwar unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses, dem Beschäftigungsgrad oder der Hierarchiestufe. Der Arbeitgeber muss zwischen der Pflicht zur Wahrhaftigkeit und der Pflicht zum Wohlwollen gegenüber dem Mitarbeiter jonglieren.

Druck

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Arbeitszeugnis auszustellen, auch wenn er sich mit seinem ehemaligen Mitarbeiter in einem Rechtsstreit befindet. Er darf es auf keinen Fall als Druckmittel einsetzen und es an die Bedingung knüpfen, dass der Arbeitnehmer kündigt oder auf seine Rechte ihm gegenüber verzichtet.

Kurzes Zeugnis

Wenn ein vollständiges Arbeitszeugnis die Chancen des Arbeitnehmers, wieder eine Arbeit zu finden, beeinträchtigen würde, kann er den Arbeitgeber bitten, ein kurzes Arbeitszeugnis auszustellen. Darin werden nur die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Beschreibung der ausgeübten Tätigkeiten und der Funktionen, die der Arbeitnehmer im Unternehmen innehat, aufgeführt.

Wenn der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich ein kurzes Arbeitszeugnis verlangt, muss der Arbeitgeber ein vollständiges Arbeitszeugnis ausstellen, auch wenn dieses für den Mitarbeiter ungünstig ist.

Vollständiges Zeugnis

Neben der Dauer und der Art des Arbeitsverhältnisses muss das vollständige Zeugnis auch die Qualität der Arbeit und das Verhalten des Arbeitnehmers enthalten. Der Arbeitgeber kann das Verhalten des Arbeitnehmers beschreiben, wie er mit Kunden und Kollegen umgeht. Er muss erwähnen, ob er mit der Qualität der Arbeit des Arbeitnehmers zufrieden war.

Der Arbeitgeber kann nicht einfach ein Teilarbeitszeugnis ausstellen und damit das Verhalten des Arbeitnehmers oder die Qualität seiner Arbeit nicht beschreiben. Ein solches Zeugnis würde bei einem neuen Arbeitgeber zu Missverständnissen führen. Der alte Arbeitgeber kann haftbar gemacht werden, wenn er absichtlich unzureichende Arbeitsleistungen oder schwerwiegende Abweichungen im Verhalten des Arbeitnehmers nicht erwähnt hat und der neue Arbeitgeber sich bei der Einstellung des Arbeitnehmers auf dieses Zeugnis stützt.

Er läuft nämlich Gefahr, bei Missverständnissen haftbar gemacht zu werden. Der Arbeitnehmer wiederum darf sein Arbeitszeugnis nicht fälschen, wenn es zu seinen Ungunsten ausfällt. Wird eine solche Täuschung entdeckt, riskiert der Arbeitnehmer viel und kann unter bestimmten Bedingungen strafrechtlich belangt werden.

Wohlwollende Pflicht

Das Arbeitszeugnis hat den Zweck, die wirtschaftliche Zukunft des Arbeitnehmers zu fördern. In dieser Hinsicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinem Arbeitnehmer gegenüber wohlwollend zu sein, auch wenn er mit ihm in einem Rechtsstreit steht.

Er darf ihn nicht in einer unnötig abwertenden Weise formulieren. Es dürfen auch keine Dinge erwähnt werden, die keinen Einfluss auf die Qualität der Arbeit des Arbeitnehmers hatten, wie z. B. eine mögliche Schwangerschaft, politische Ansichten oder eine Gewerkschaftsmitgliedschaft.

Wahrheitspflicht

Das Zeugnis muss jedoch die Realität widerspiegeln. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, schwerwiegende Tatsachen zu erwähnen und Vorbehalte zu äußern, wenn die Arbeit des Arbeitnehmers nicht zu seiner vollen Zufriedenheit war. Andernfalls riskiert er, zivil- und strafrechtlich gegenüber künftigen Arbeitgebern haftbar gemacht zu werden, die sich bei der Einstellung des Arbeitnehmers auf ein falsches, lobendes Zeugnis gestützt haben.

Einzelne Vorfälle müssen hingegen nicht im Arbeitszeugnis erwähnt werden.

Zu spätes Erscheinen am Arbeitsplatz? Ungerechtfertigtes Fernbleiben von der Arbeit? Diebstahl einer Weinflasche oder Unterschlagung von Geldern? Die Grenze zwischen einem isolierten Vorfall und einem Ereignis, das unbedingt im Arbeitszeugnis erwähnt werden muss, ist manchmal fließend. 

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1 Mär., 2010 vonMarianne Favre Moreillon